Der Baumstumpf
Sie sind nicht daran Schuld, es ist keiner daran Schuld.
Warum ist es dann da?
Wer hat es gesät?

Diese alles verschlingende Einsamkeit. Tief in einem gewurzelt, keine Chance, diese lästigen Anker in der Erde zu ertränken, zu zerreißen, zu verätzen; nein, sie bleiben ewig. Den Baum kannst du fällen, niederbrennen, all das kannst du versuchen, doch wird diese Wurzel der Erde ewig und für immer die Nährstoffe entziehen.
So gesättigt war die Erde einst von ihnen, fruchtbar für wunderschöne Blumen, wunderbare Wiesen voller Blumen. Doch etwas anderes wurzelte dort. Und nun ist der Boden ausgelaugt, salziges Wasser fällt noch vom Himmel, weicht ihn auf und spendet diesem verdorrten Baumstumpf neue Kraft.
Knorrige Auswüchse ragen aus dem so oft geschädigten Stumpf heraus, ragen zitternd im Wind, im kalten, winterlichen, in die Höhe. Sie greifen nach der Luft zum Atmen, greifen danach und schließen sie ein.
Einige unreife Früchte hängen an diesen grausigen Fingern. ihre Gestalt; deformiert, grau, verdorrt und schändlich. Wirken nicht wie Früchte, eher wie widerliche Abstoßungen, Fehlgeburten, Auswüchse.
Es sind die Früchte der Einsamkeit.
Ich koste von ihnen und muss staunen, als ich bemerke, dass sie neben ihrem bitter-salzigem Geschmack sehr süß sind. Ich genieße jeden Bissen und schlucke auch die Kerne hinunter; damit nicht noch mehr Land von dieser Plage gequält wird. Mir wird übel, aber meine Hand langt schon nach der nächsten Frucht. Ich kann es ihr nicht verbieten. Und auch, dass sie sie langsam an meine Lippen führt kann ich ihr nicht verbieten.
“Vielleicht beim nächsten Mal”, denke ich mir, “Vielleicht stirbt es beim nächsten Kahlschlag. Und dann werden auch keine Früchte mehr wachsen.”
Ich setze mich neben den Stumpf, breche die Zweige aus ihm heraus und verschlinge jede einzelne Frucht. Es braucht seine Zeit, aber schon bald bin ich damit fertig. Ab jetzt warte ich, dass die Pflanze stirbt. Aber Regen tränkt erneut die Erde.

14. September