Mittwoch, 19. März 2014
Korrespondenz
Heute fahre ich mal wieder Zug. Ich befinde mich in dem Abteil, in welchem ich immer sitze und fahre nachhause, zurückgekehrt von einem Ort, den ich in letzter Zeit desöfteren recht gerne besuche.

Wenn ich durch das Fenster blinzele, sehe ich stets eine andere Landschaft. Ich nannte diese wandelhafte Morph-Szenerie “Moment”. Sie zeigt sich mal als schimmerndes Blütenmeer, getüpfelt von frisch-blassen Farben, mal als karge Felswüste, in welcher sogar die grauen Steine den Anschein machen, sie dürsteten nach dem erlösenden Nass von Oben.
Ich stehe von meinem Platz auf, wandele etwas durch die Wagons und erblicke an dem verriegelten Durchgang zu der Lokomotive das Namensschild dieses Zuges. Eingraviert auf bronzenem Blech prangt dort “Zwischenmenschlichkeit”.

Dieses Gefährt bringt mich manchmal zu weit entfernten Orten, wo die Bahnhöfe “Sternenwacht”, “Zu Träumen wecke sich, wer kann” oder “Werbistisch” heißen. Diese Stationen führen mich in exotische Städte, in welchen die seltsamsten Sprachen gesprochen werden. Manchmal verstehe ich einige Fetzen, lerne nach und nach, ihre Worte zu deuten, aber in ihrer Zunge reden- das werde ich nie können. Nicht, weil sie unlernbar sind, nein, sondern weil eine unsichtbare Barriere mich von ihnen trennt und sie mich nicht hören können. So bleibe ich dort ein stiller Beobachter aber genieße zugleich diese fremden Kulturen. Sie sind dennoch nah, weil ich, als Zugreisender, sie erreichen kann.

Andere Bahnhöfe tragen die Namen “Strömung” oder “Hochragende Tiefbauten”. Trete ich durch diese Pforten, erstrecken sich Ebenen für mich, die greifbar sind. Ich wandere in ihnen auf und nieder, keine Barriere trennt mich von der Wirklichkeit dort. Die Rolle des stillen Beobachters stecke ich auf einen Rollenhalter, der kurz hinter dem Durchgang aussteht und lege mir die Robe “Einfluss” an. Ich tobe mich dann in den Wiesen aus, säe einige Saaten, und pflückte saftiges Obst.

Ich schaue ein weiteres Mal aus einem der nicht kleinen Fenster, während die Bahn gerade eine Kurve nimmt. Jetzt kann ich einen raschen Blick auf die sonderbaren Gleise erhaschen. Ist der Zug ersteinmal darüber hinweggerauscht, so biegen sich die Eisen gen Himmel, fangen an, blau zu glühen, bis sie dann in tausend sternhaften Funken zerspringen. Die hölzernen Bretter darunter scheinen gleichzeitig wie vom Boden verschluckt zu werden. Vor dem Zug fliegen wiederum glänzende Lichtsplitter aufeinander zu und verbinden sich zu metallenen Schienen. Aus dem Erdreich wächst derweil Stück für Stück das stabilisierende Holz, als würden Wurzeln aus dem Boden hervorbrechen, dort unten viel zu beengt.
Kein Mensch hatte je ergründen können, wie diese zauberhaften sich selbst hinwegnehmenden und aufbauenden Bahnen wirklich funktionierten oder wie sie je die Wege zu ihren Zielen fanden. Auch versuchten schon viele, ihnen Namen zu geben, doch sobald jemand versuchte, diesen auszusprechen, trocknete ihm das Wort im Mund, zerfiel zu seinen Buchstaben und bröselte von seinen Lippen. Es war etwas gänzlich Undefiniertes, Undefinierbares, was das Netz aus Orten mit seinen Bahnhöfen dort sponn.

Ich setze mich schließlich wieder zurück auf meinen Platz und schwelge in Reisenostalgie. Ich bin auf dem Heimweg. Nicht mehr lange, und ich würde da sein.
Dort wo ich war, habe ich viele Früchte gesammelt, die ich nun im Begriff bin, genüsslich zu verspeisen. Dabei kommt mir die Idee, an meinem eigenen Heimatsort eine neue Station zu errichten.
Am Horizont kann ich sie, sich Stein auf Stein zusammensetzend, schon erkennen. Der Moment fliegt an mir vorbei und kleidet sich in schimmernde Bäche von kristallblauer Farbe und wogendem Schilf, auf dem die Wasserspiegelungen geisterhaft tanzen. Hier und dort reißt der Boden auf, die Bäche stürzen in die Tiefe und sprudeln an anderer Stelle wieder aus dem Mineral.
Bald schon wird die Lokomotive langsamer, wir fahren im neuen Bahnhof ein. Ich packe all mein Reisegepäck zusammen und verlasse das Abteil. Nachdem ich aus dem Zug herausgestiegen bin, erblicke ich auf dem Holzbalken über der Pforte den eingebrannten Titel des neuen Bahnhofes: “Korrespondenz”.

19.3.14



Montag, 17. März 2014
Zwischen Raum
So viele Fragen,
die durch Gitterstäbe ragen.
Es ist der Käfig unserer selbst,
der uns in der Wirklichkeit hält.
Feuervogel, willst du fliegen?
Über die Grenzen des Körpers siegen?
Dann fackel hoch, steck dich an,
glimme lang, und zerfalle sodann

zu weißer Asche.

Doch was liegst du dort?
In deinen eigenen Trümmern,
wenn du nicht fliegst,
wirst du verkümmern!
Ach! Mir war entfallen,
ohne Schwingen kannst du dich
nicht an die Wolken krallen.
Ungerührt liegt im Käfig

weiße Asche.

Man wendet sich ab,
vom Vogel, der sich in Gefahr begab.
Schön war er einst und rot,
nun unbeachtet ist er, tot.

Doch in stillster Stund,
erhebt sich Asche vom Grund,
wird bewegt vom Wind,
flieht heimlich und geschwind
aus dem Gefängnis dieser Welt.

Und was ist hinter diesen Stäben?
Aus Wahrheit, Erkenntnis, Stahl?
Es gafft die Tiefe, schluckt Licht,
was durch den Staub scheint, in Fäden.

Asche rieselt auf und nieder,
erschafft neue Welten, immer und immer wieder
unbeachtet von unserer leeren Augen,
die zu nichts anderem, als Unwissen taugen.

16.03.14



Freitag, 7. März 2014
Paradiesvogel Phoenix
Lass dir sagen, wir sind Beides!
Farbloser Rest der Energie,
Die Flammen glühen ließ, wie nie.
Hellfunkendes Lohenfest,
Das Feuer darselbst,
Wenn man es nur atmen lässt.

Aus Asche erhebt sich neu
Gewurzelte Pracht, nicht scheu.
Schenkt Leben beblätterter Art,
Ihr Wesen, zerbrechlich und zart.

Diese werden bald dann
Entfesseln eines neuen Feuers Bann.
In unsere Erinnerung findet es seinen Weg,
Wenn es sich letztlich auch zur Asche legt.

Lass dir sagen, wir sind all dies.
Jedes Gefühl in uns, eine Stufe
auf der Treppe zum Paradies.


7. 3. 14



Die Morgentröte
Schallend ruft die Morgentröte zum Anbeginn des Tages und heißt die Sonne mit ihren Strahlen, die die Erde kitzeln, willkommen.
Weit auf, droben auf dem hohen Berg wurzelt eine einzige junge Birke, in dessen Astgabeln die Morgentröte liegt. Dort oben pfeift ein schneidender Wind, der sie immer zur rechten Zeit zu spielen weiß. Ihr Ton ist grell aber weich, eisgläsern und tiefensamtig. Ihre Melodie ist die von sich öffnenden Blüten und erwachenden Rotkehlchen. Wolkengleich schwebt ihr Klang morgens in das Tal hinunter auf dass sie herabblickt.
Das Instrument ist fragil und bescheiden, mattes Metall, das unseren Fingern nicht die Wärme entzieht sobald wir es berühren, sondern in unseren Händen liegt wie warmes Holz. Und doch glänzt es in der Glut der Dämmerung kupfern, verschleiert so seine Messingnatur.

Einst wurde es geschmiedet, war Menschens Werk. Glitzerte metallisch unter künstlichem Licht. Aber es litt der Menschen Unfähigkeit, ihm Lieder zu entlocken, bis sie es, als schadhaft erachtend, in den Fluss warfen.
Es wurde in der Flut von Gestein und Sand geschliffen, wie es nun sein Äußeres besitzt. Die Strömung trieb es, fragt nicht wie, bis an die Zugspitze, wo es über einem Birkensamen dort zum Stillstend kam. Der Baum wuchs und gedeihte, trug schon bald die Morgentröte weiter hinauf. Bald begann der Wind, der bisher einzige Könner, mit dem Spiel auf ihr. Seitdem sang sie jeden Morgen von des kommenden Tages Schönheit.

Kein Mensch dort unten im Tal würde je im Stande sein, dieses Lied so zu spielen. Und sie schweigen, während der Morgen anbricht und gedenken ihrer eigenen Winzigkeit und lauschen dem Gesang der Morgentröte.

7.3.14

[Inspiration durch ein Wortspiel einer nicht allzu fremden Seele ;)]