Sonntag, 8. Dezember 2013
Das Vögelchen
Ich frage mich manchmal, wie man so weite Schwingen besitzen kann. Wie man sie so weit spannen kann, dass man so eine lange Strecke hinweggleiten kann. Ganz ohne Mühe.

Es ist den Federtragenden eigen, ihre Flügel zu heben und sie auf- und niederzuschlagen, um endlich in die Wärme, beinahe bis zur Sonne, zu fliegen. Sie sind der Inbegriff von Freiheit.

Ich frage mich manchmal, wie man solche Wesen in Käfige sperren kann. Wie man so schreckliche Gedanken oder eben auch Nicht-Gedanken besitzen kann. Diesen Inbegriff der Freiheit in kleinsten Raum zu zwängen und ihren sehnsüchtigen Rufen und Klagelauten lauschen zu können, als seien es Melodien die von Freude und Lebenslust zeugen. Wie kann man nur?

Schließlich, schätze ich, sind Menschen sich dessen unbewusst bewusst. Vielleicht.
Wie schön wäre es, selber solche Schwingen zu besitzen? Selbst fliegen zu können.
Aber ach, dem Menschen sind noch keine Federn gewachsen. Da will er natürlich nicht, dass einem anderem Wesen diese vorbehalten sind, welches noch nicht einmal einen Begriff von Freiheit habe.
Wenn der Mensch schon den Gedanken an Freiheit besitzt, wieso kann er Freiheit selbst nie erlangen?

Weil er nicht imstande ist, sich selbst zu überwinden.
Denn mit jedem eingesperrten Federwesen, sperrt er nur sich selbst ein. Der Mensch hat Angst vor der Freiheit, Angst davor, seinen eigenen Käfig zu öffnen. Und er hat vergessen, dass auf seinem Rücken Flügel wachsen, die nicht federhaft sind, aber dennoch zum Fliegen taugen. Denn er blickte sich nie um. Das, was er in vergangenen Zeiten getan hatte, war zu schrecklich, um sich danach umzusehen.

Ich frage mich manchmal, wie es doch einige schaffen, aus dem Käfig auszubrechen. Sie sind bewundernswert.
Derweil lausche ich einem sanften Zwitschern. Es ist herzzerreißend und betörend.

8.12.13



Donnerstag, 28. November 2013
Ein Gewand
Schneidere ein Gewand für deine Welt.
Der Stoff seien Worte, in die der Hass gehüllt.
Schneide die Schnittmuster aus,
Man schneide sie aus Haut.
Und schon hat man sich ein Konstrukt namens Gedicht gebaut.

28.11.13



Dienstag, 26. November 2013
Münder
Ihre Münder, ihre Münder.
Ich habe es so satt.
Sie sperren sie weit auf,
Doch sind sie satt.
Sie schmecken sich satt an fremdem Leid,
schmecken sich satt am eigenen Leid.
Die Zungen wurden ihnen amputiert,
deshalb können sie nur noch undeutlich lallen.
Was sie vermögen, vorzubringen ist lediglich
ein Zeugnis ihres widerwärtigen Bildes des “Ich”.
Ihre Münder, ihre Münder.
Ich schmecke Eisen.
Sie lassen den Kiefer zusammenschnellen.
Dabei sah ich gerade tief hinunter,
tief in ihren Magen herunter.
Ich meinte den Grund ihrer Krankheit zu erkennen,
aber noch ehe ich die Diagnose fällen konnte, begann sich, mein Kopf abzutrennen
durch ihren starken Kiefer,
und mein Kopf und meine Gedanken fallen tiefer.
Ihre Münder, ihre Münder.
Haben endlich auch mich verschluckt.

26.11.13