Münder
Ihre Münder, ihre Münder.
Ich habe es so satt.
Sie sperren sie weit auf,
Doch sind sie satt.
Sie schmecken sich satt an fremdem Leid,
schmecken sich satt am eigenen Leid.
Die Zungen wurden ihnen amputiert,
deshalb können sie nur noch undeutlich lallen.
Was sie vermögen, vorzubringen ist lediglich
ein Zeugnis ihres widerwärtigen Bildes des “Ich”.
Ihre Münder, ihre Münder.
Ich schmecke Eisen.
Sie lassen den Kiefer zusammenschnellen.
Dabei sah ich gerade tief hinunter,
tief in ihren Magen herunter.
Ich meinte den Grund ihrer Krankheit zu erkennen,
aber noch ehe ich die Diagnose fällen konnte, begann sich, mein Kopf abzutrennen
durch ihren starken Kiefer,
und mein Kopf und meine Gedanken fallen tiefer.
Ihre Münder, ihre Münder.
Haben endlich auch mich verschluckt.
26.11.13
vicevirtue am 26. November 13
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Lose Enden
Spinnenfäden zwischen unseren Gedanken,
sie werden sich niemals ranken,
von dir zu mir und von mir zu dir,
sie spinnen sich nur von Papier zu Papier.
Unsere Ideen sind bunte Spindeln,
während unsere Köpfe in hohen Höhen schwindeln.
Wir wickeln sie ab und spitzen sie zu,
führen sie durch Nadelköpfe im Nu.
Haben wir einen passenden Faden gefunden,
fühlen wir uns gleich mit diesem verbunden,
Doch das Knoten lernten wir nicht.
So bleiben die Fasern nur dicht
neben sich.
So bleiben sie lose Enden,
neben sich.
20.11.13
vicevirtue am 20. November 13
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Essenszeit
Ich habe die schwärzesten Gedanken dieser Welt,
ohne sie mit euch zu teilen.
Verschlingt euch die tiefste Nacht,
seid ihr aus einem Alptraum erwacht,
so gibt es immer noch etwas, was tiefer ist,
was eure Seelen verläßt,
wovon ich mich labe, gleich einer Aasfresserkreatur,
wovon ich mich erlebe, gleich dem Feuer einer Sternenspur.
Ich fresse euch auf, trinke aus euren Tiefen-
Ach, ich sehe nur seichtes Wasser,
zu viel von euren Quellen geschöpft,
der Grund wird nicht dunkel, nur blasser.
Ich verzehre mich nach einer Düsternis,
die mir einst eine Spiegelseele gezeigt,
doch treffe ich sie nirgends mehr an,
außer in dem Schmerz der Welt.
Und so treibe ich in euren salzigen Flüssen voran,
und es gibt nichts, was mich noch hält.
Es füllt mich schwer aus, ich möchte weinen,
doch stattdessen beginne ich grinsend zu reimen.
30.10.14
vicevirtue am 30. Oktober 13
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Du liebstes Vögelein
Du liebstes Vögelein,
Ich habe die Käfigtür dir entsiegelt,
hoffend auf deine Wiederkehr.
In deinen Augen hat sich Freiheit gespiegelt,
dahinter war aber noch so viel mehr.
Ich sah dich zwitschernd, schnell entfliegen,
wir warfen uns keine Blicke zu.
In unseren Augen war Sehnsucht verblieben,
in meinen Gedanken dein Zirpen und du.
Ich wusste, die Zeit würde langsam nur fließen,
doch dass sie vergeht in solcher Pracht,
hätte der Himmel, wo sich Tränen ergießen,
vor der Freilassung nie gedacht.
Ich blicke in mich, möchte feststellend sagen,
drinnen ist es heimlich warm.
Selbst wenn mich andere nach dir fragen,
fühl' ich mich deiner Präsenz nicht arm.
Dann schaue ich glücklich hin zum Süden
und freue mich letztlich für dich,
dass dir die Flügel niemals ermüden,
und du manchmal auch denkst an mich.
14.10.13
vicevirtue am 15. Oktober 13
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Nachtfalter
Was faltest du so zerbrechlich durch die Nacht?
Drehst deine Kreise zitternd, bist vom Dunkel erwacht.
Und doch zieht das Licht dich in seinen Bann,
Wann verstehst du endlich, wann?
Dass das Leuchten dich völlig versengt,
deine zerbrechlichen Flügel verbrennt,
dich äschert in Schnelle.
Vielleicht begehrst du deshalb das Helle.
Du faltest so zerbrechlich durch die Nacht,
weil du nur dazu erwacht,
schneller und weiter zu fliegen in die Höh',
als äscherne Funken, lichterloh.
2.09.2013
vicevirtue am 05. September 13
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Brandungsbrand
Meerwasser brennt den Leuchtturm in seiner Gischt.
Heiß blickt das Leuchtfeuer um sich,
kann den Sturm kaum ertragen,
so grausam peitscht der Wind,
wie einen Ungehorsam handelnden Sklaven
die Welt.
Wellen stürzen sich auf das Land,
hungrig, eiskalt den sandigen Boden zu durchdringen.
Wasser fällt hinab, hinab,
füllt das Meer mit neuer Kraft,
zu peinigen des Landes Gestalt.
So steht der Turm und blickt um sich.
Wenn die Sonne die Welt umarmt,
erlischt das Feuer.
vicevirtue am 04. September 13
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Knospen sprießen
aus knorr'gen Ästen.
Laut! Taub machender
Straßenlärm!
Blüten schaukeln
im Wind aus Süd-Westen.
Grell! Hell strahlt
das Kernkraftwerk.
Flüßlein brechen
trüb durch die Felder.
Schrei! Brei füttert
das Zuchtmastschwein.
Schneisen lichten
die dunklen Wälder.
Schmerz! Erz schlagen
sie aus dem Gestein.
Asche regnet
vom Firmament.
Bumm! Dumm ziehen
sie in den Krieg.
Diese Welt,
wie sie lichterloh brennt.
Tot! Rot, was
ihnen blieb, ihr Sieg.
27.04.12
vicevirtue am 04. September 13
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