Innerweltenwetter
Es floß ohne Stocken von oben. Himmlische, äonische Flüße floßen von droben und benetzten die Welt mit ihren erfrischenden Tropfen. Sie waren farbige Tropfen, hatten die Form von allen Objekten unserer Vorstellungskraft und waren zugleich formlos. In ihnen war die Macht der ganzen menschlichen Erkenntniskraft versammelt und was darüber hinausragte.
Es war der Sturm eines Künstlers, die Winde seiner Emotionen und die Wasser seiner Ideen, die auf alles niederprasselten.

Zusammengerottet hatten sich nach langer Zeit eines blauen Sommer- oder Frühlingshimmels einige fedrige Wolken, sie suchten einander, wie Stücke von Metall und Magneten fanden sie zusammen. Wie Liebende preßten sich die weißen Wunderflocken aneinander, um dann gemeinsam eine gewaltigere als sie beiden es einzeln je werden konnten, zu erschaffen.
Diese Wolken waren die Ausdünstungen einer Maschine, die in dem Kopf des Künstlers saß. Ein Schlot grub sich in seine Stirn, aus dem ununterbrochen kleine dieser unbelebten aber dennoch inspirierten Schafgeschöpfe unbeschwert in die Luft aufstiegen. Dieses wundersame Objekt, versteckt hinter dem Gesicht, besaß eine noch wundersamere Energiequelle, denn in den Ohren und in den Augen, ja selbst in der Haut und auch unter der Haut besaß der Mensch winzige Mechanismen, die die sanften Schwingungen von Gedanken, Gefühlen, bloßen Impressionen und Expressionen anderer wahrnahmen und daraus den gesamten Gehalt der ihnen innewohnenden Macht aufsogen und durch die Nervenbahnen bis in den Kopf des Künstlers steigen ließen. Dort wirkten diese Fünkchen anderer Genialität wie Bäche; sie floßen unentwegt durch alle möglichen Kanäle, trafen auf Barrieren, zersprengten sie, überfluteten das Grenzgebiet zwischen unhemmbarem Größenwahn und sich zur Ruhe legenden Weisheit. Und sie trieben die Mühlen an, die schließlich die Wolkenmaschine zum Funktionieren brachte.

Irgendwann war der Himmel gesättigt an Wasserdampf, voll von den durchdachten Ideen anderer, den selbst erzeugten und doch fremdabsorbierten Gedanken, es war kein Platz mehr dort oben. Es staute sich weiter und weiter, bis sich die gesamte Atmosphäre geradezu auflud, alles knisterte und vor Anspannung beinahe zu verglühen drohte, wie ein versehentlich vom Feuer abgesprungener Funke, der nur allzu ungeduldig den Weg in die Weite suchte und dabei an seiner eigenen Schnelligkeit erlosch.
Dann sollte das Spektakel beginnen. Es regnete.
Einige mit Wachs eingeriebene Menschen nahmen den Regen nicht wahr. Andere ärgerten sich darüber, weil er sie an ihrem alltäglichen Handeln hinderte. Wieder andere blickten in den Sturm und das Züngeln der kalten Tropfen auf ihrer Haut erfrischte sie, wie den Künstler dereinst selbst, wobei ein glänzendes Lächeln sich in ihr Gesicht stahl und sie die ganze Schönheit dieses Unwetters, welches aber doch das eigentlich wahre Wetter war, obwohl es diesen irreführenden Namen trug, in sich aufnahmen.

Kennt ihr es, dieses Gefühl des Sich-Füllens? Der Überwältigung fremder und doch eigener Ideen? Das Knistern vor der Entladung? Das leise Flüstern des Windes, wenn es die aufgebrauchten Wolkentänzer auseinanderstäubt und Platz für eine weitere Choreographie von Eingebungen macht?
Dann fühlt euch beneidenswert. Es sind die schönsten aller Gefühle.

“Etwas erschaffen zu haben.“

21.4.14

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nach der Lektüre eines wunderbaren Buches und einigen schweren Gedanken um Dinge