Montag, 4. Januar 2016
Winterkind
Es bringt die Nacht den Schnee,
gebiert das kalte Kind mit frostig Lippen.
Das Haar ganz weiß, der Blick voll Weh.
Wippt auf dürrem Aste über Klippen,
spielt mit blank Gebein und liegt
im Tale einsam, allein.
Im klirrend Flüsterwind es sich wiegt.
„Winter“ sei genannt das Kind und sein
treuer Freund der Tod spricht lind:
„Feuer mag ich schenken dir.“
„Gib' es her, dies stürmisch Wesen, mir!“
Und im Flammengriff, geschwind
schmilzt die Hand, der Arm, bald auch das Herz,
dem kalten Kinde und himmelwärts
weint die Nacht weißes Wasserkristall,
was den Totentanz wirbelt im ziellos' Fall.

4.1.16



Dienstag, 10. November 2015
Puppenspiel in Nebelwacht
Erderfüllt und weiß verglimmt
ist die Welt und ganz verstimmt
erklingt der Ton.
Aus Ton erschaffen Menschelein
marschieren blank poliert.
Der Spieler den Faden verliert
und die Puppen tanzen von allein.
Wundbewegt und bluterweicht
ist der Grund und ganz erbleicht
ist das Gesicht.
Gesichtet dort das Lichtelein,
was von Ferne blinkt.
Im Nebel über Abgrund winkt
wird es von Qual befrei'n.

10.11.15



Freitag, 18. September 2015
Kapitän Nirgendwo
Rolle die Karte aus, die vergilbte, alte.
Zeige euch Orte, an denen ich war,
beschreibe die Wege, die ich ging.
Dein Finger stößt auf den schwarzen Bereich,
deutet auf unerkundete Gebiete,
ich verbiete, davon zu sprechen.
Doch plötzlich sticht dein Finger
durch das Papier.
Nein! Was tust du nur?
Schändest das Werk des Wissens!
Aber was fühlst du nur?
Hinter der Karte spürst du nichts.
Dein Finger wird zum schwarzen Loch,
die Karte zum Universum.
Schon ist das Papier im eigenen Riss verschwunden.
Ist an ihrer Ungenauigkeit verloren gegangen.
Nach Wer-Weiß-Wohin.

Und vertrauen wir ihr doch allzu gern,
der alleserklärenden Wissenschaft.
So lässt sie uns doch nicht den Stern
pflücken, den wir als Kind einst sahen.


18.9.15